Das Ende der Irmgardislinde

Die Irmgardislinde
 

Es steht eine uralte Linde
Als Wächter am heiligen Ort.
Wohl über tausend Jahre
Steht diese Linde schon dort.

Ihr grauer Stamm ist geborsten,
Mit Runen sein Antlitz bedeckt,
Der, frevlen Brandes Opfer,
Noch Stümpfe zum Himmel streckt.

Es gingen Jahr’ um Jahre
Wohl über die Linde alt,
Sie stöhnt’ in Sturmes Drängen,
Sie schauert in Winters Gewalt.

Doch wird es Frühling im Lande
Grünt auch die Linde aufs neu,
In tausenden grünen Blättern
Bleibt sie sich ewig treu.

So bist du, alte Linde,
Ein Sinnbild des Lebens mir,
Und Rührung will mich fassen,
Wenn ich mich nahe Dir.

Laß deiner Blätter Krone
Auch fürder Wächter sein
Der Heiligen Kapelle,
Des Fürstenkindes vom Rhein.
 

 Die uralte Linde vor der Irmgardiskapelle um 1930

Rheinische Post - 12.01.1949:

„Brandstiftung oder Selbstentzündung ?“

Der Brand der Irmgardislinde am 2. September 1948 gab damals Anlaß zu den verschiedensten Kombinationen über die Ursache bzw. die vermutlichen Motive einer angenommenen Brandstiftung. Nach den polizeilichen Ermittlungen kann, wie Stadtdirektor Ortmann ausführte, der Verdacht einer böswilligen Brandstiftung nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Brand entstand vielmehr entweder durch Selbstentzündung des in dem hohlen Baum befindlichen Laubes und Papiers oder durch fahrlässiges Verhalten von Waldbesuchern. Er muß bis zu seiner Entdeckung längere Zeit geschwelt haben, da sich verdächtige Personen zur Zeit des Brandausbruchs nicht auf dem Heiligenberg befanden. Aller Voraussicht nach wird die Irmgardislinde, das Süchtelner Nationalheiligtum, deren Brand über die Grenzen Süchtelns hinaus die Anteilnahme aller Heimatfreunde des Niederrheins fand, die Folgen des Brandes überstehen und ihren vielen hundert Jahresringen noch recht viele weitere hinzufügen.

 

Vereinigte Dreistädte Zeitung - 31.12.1953:

Ist „die Linde auf dem Heiligenberg“ noch zu retten ?

„Der Heiligenberg“ - zu diesem Begriff gehört wie selbstverständlich „die Linde an der Kapelle“. Mit tiefer Sorge beobachten Naturfreunde und Kirchengemeinde seit Jahren den Verfall des mächtigen Baumes auf dem Kapellen-Vorplatz. Wer nicht weiß, wie beherrschend früher die Linde für das Bild des Heiligenberges war, dem muß das bildlich in Erinnerung zurückgerufen werden; beim Anblick der heutigen Trümmerstätte glaubt man es einfach nicht. Es gab einige Irrtümer und falsch angewendete, gut gemeinte Versuche bei der seit Jahrzehnten vorgenommenen „Behandlung“ der Linde. Kurz nach 1900 wurde im Inneren des Riesen-Geästes ein Eisenkreuz befestigt, mit dem verhindert werden sollte, daß die Kapelle durch die Äste beschädigt wurde. Seit damals begann der Verfall der Linde. Denn damit wurden entscheidende Lebensadern des Baumes getroffen, die ganze Kraft der Linde wandte sich dorthin, wo unaufhörlich die eisernen, rostigen Fremdkörper des Kreuzes das weiche „Fleisch“ des Baumes - eine Linde kann man mit dem Fingernagel eindrücken - quälten. Das normale Wachstum wurde so vernachlässigt. Die Schädigung des Lebens der Linde hatte schon früher begonnen: als man ihren Raum einengte und rundherum die Buchen immer höher schießen ließ, bis sie Licht und Wasser von der Linde fast ganz fernhielten und damit ihren Nahrungskreis einengten; als die lockere Erde am Fuße des Baumes eingestampft wurde und der Humus fehlte, mit dem das Wasser gehalten wird; als die Wasserrinnen eingeebnet wurden, die Hügel beseitigt und das Sickerwasser so fehlte; als durch den Fortfall des Humus der sandige Boden tot wurde und ihm die Atmung fehlte; als man später dem Baum außer dem Kreuz im Geäst auch ein enges Eisenband an seinem unteren Teil zumutete und meinte, man würde ihn so am Leben erhalten können und das genaue Gegenteil erreichte. Doch als man das bemerkte, da war die Linde schon immer weniger grün im Frühjahr ausgeschlagen. Der Krieg kam dazu und der Fortfall an fachmännischer Pflege und nach dem Krieg vernichtete ein, von Kindern im Inneren des Baumes angelegtes Feuer, einen weiteren Teil des Lebenskerns. Vor drei Wochen wurde von Bubenhand ein weiteres Stück des Baumes abgebrochen - heute sieht die Linde geradezu trostlos aus. Der einhellige Vorschlag der bisher zu Rate gezogenen Fachleute für die „Reparatur“ des Landschaftsbildes an der Kapelle lautet: Die Linde soll so stehen bleiben; sie wird tief ausgehöhlt, im ganzen Umfang 1,50 bis 2 Meter tief und dann wird eine vielleicht 15jährige Linde hineingebracht - oder mehrere - und mit Ballen guter Humuserde, von Jutesäcken zusammengehalten, eingepflanzt; gleichzeitig wird ein Abfluß geschaffen, damit nicht Regenwasser und Moderbildung im Inneren des umgebenden alten Baumes die junge Linde angreifen; vor allem aber ein weiterer Kranz mit stachligem Eisengerüst rund um den Baum, um die Flegel abzuhalten, die keine Ehrfurcht vor Tradition und Natur haben.

 

Westdeutsche Zeitung - 26.05.1954:

„Irmgardislinde“ soll gerettet werden

Auf der Versammlung der Süchtelner Kleingärtner wurde auch die in den letzten Tagen viel diskutierte Frage „Ist die tausendjährige Irmgardislinde noch zu retten“ eingehend besprochen. Der der Versammlung beiwohnende Stadtverordnete Paul Rossie wies in der Aussprache eines „alten Süchtelners“ und seinen Aufruf zur Rettung der Irmgardislinde hin. Rossie und weitere Sprecher waren sich darin einig, daß der jetzige Zustand der Linde eine Folge mangelhafter Pflege sei. Dem Baum müsse genügend Wasser zugeführt werden und eine Düngung sei unbedingt notwendig. Der Frevel des Ausbrennens des Bauminneren vor einigen Jahren sei auf das Leben des Baumes ein schlimmer Anschlag gewesen, doch könne man trotzdem beobachten, daß die Linde zur Kapellenseite hin wieder gut im Austrieb sei. Gartenmeister Andreas Ditges war ebenfalls der Ansicht, daß der Baum, wenn auch nicht für immer, so doch noch für länger zu retten sei. Er führte Beispiele aus Geisenheim, der Zentrale der Baumpflege, an und betonte, daß die Tradition der Linde jeden heimatliebenden Süchtelner verpflichte, ihr Leben zu erhalten. Daß dies möglich sei, gehe auch aus dem Gutachten eines anerkannten Fachmannes hervor. An praktischen Vorschlägen zur Rettung der Linde sind anzuführen: Die zusätzliche Zuführung des Dachwassers der Kapelle, eine ausgiebige Düngung des Wurzelwerkes sowie die Anfüllung des Bauminneren mit Lehm- und Kuhdünger und eine feste Abschließung. Die Versammelten beschlossen einstimmig, die Pflege der Linde durch den Verein der Kleingärtner zu übernehmen und die Leitung der Aktion den Mitgliedern Rossie und Ditges zu übertragen. Ein Heimatfreund hat bereits einen nennenswerten Betrag für diesen Zweck gestiftet. Als erstes will der Verein sich bemühen, die Zustimmung der zuständigen Stellen für die Rettungsaktion der Irmgardislinde zu erhalten.

 

Vereinigte Dreistädte Zeitung - 13.04.1955

Die „Irmgardislinde“ war nicht zu retten

Seit etwa einem Jahre, seit dem 23. Mai 1954, unternahm der Kleingärtner-Verein Süchteln den Versuch zur Rettung der jahrhundertealten „Irmgardislinde“ vor dem Kapellchen auf dem Heiligenberg. Es stellte sich aber heraus, daß die mangelhafte Pflege früherer Jahrzehnte, Mangel an Düngung und Wasser und das Alter des Baumes, besonders der vor einigen Jahren verübte Baumfrevel des Waldbrandes im Bauminneren die Linde so sehr geschwächt hatten, daß sie in diesem Jahre kein Leben mehr zeigte. Am Karsamstag wurde sie gefällt und zersägt.

 Die Reste der umgelegten Linde am Karsamstag 1955

Rheinische Post - 10.01.1956:

Ersatz für tausendjährige Linde

Am Freitagnachmittag erlebte der Heiligenberg und die Irmgardiskapelle, diese für jeden heimatverbundenen Süchtelner so ehrwürdige Stätte, auch wenn er schon jahrzehntelang in der Fremde lebt, einen kleinen Festakt. Für die berühmt gewordene tausendjährige Irmgardislinde, die vor einigen Jahren durch einen bösen Bubenstreich ausgebrannt und so ihres Lebensnervs beraubt wurde, pflanzten nach Vorbereitung durch den Stadtgärtner, Pfarrer Schmidt, Bürgermeister Steinbüchel und Stadtdirektor Ortmann neben der alten Stelle, an der Stirnseite der Kapelle einen neue Linde. Einige gerade anwesende alte Süchtelner, so der im 90. Lebensjahr stehende Leopold Horster und Karl Angenbruch, betrachteten es als eine Ehre, der neuen Linde einige Schaufeln Erde und Wünsche für gutes Wachstum mitzugeben. Hoffen wir, daß auch spätere Generationen unter ihrem Blätterdach die hl. Irmgardis verehren und Sitten und Gebräuche der Vorfahren bewahren.

 Es stand eine uralte Linde als Wächter am heiligen Ort

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