Verhängnisvolles Brot

Am 5. April 1586 überschritt der spanische Oberst Hautepein mit seinem Kriegsvolk, das er im März nach Westfalen geführt hatte, wieder den Rhein. Drei Abteilungen Reiter und 21 Fähnlein Fußknechte quartierten sich in Waldniel ein, wo man von den Untertanen „ein Großes“ forderte und sie bedrohte, dass alles in Flammen aufgehen werde, falls man ihren Wünschen nicht nachkäme. Amtmann und Vogt zu Brüggen beauftragten die Orte Dülken und Süchteln mit der Lieferung von Brot und Bier. Da mit den Spaniern, wie man in den voraufgegangenen Jahren genugsam erfahren hatte, nicht zu spaßen war - hatten sie doch erst wenige Monate vorher 30 Eingesessene aus Dülken, Boisheim und Dilkrath, darunter den Boisheimer Pfarrer Albin Lüning, als Gefangene fortgeführt -, so mussten nun alle Hände sich fleißig regen, damit die Ansprüche der Söldner befriedigt werden konnten. Allein ein Teil des Brotes, von Winand tho Konhaus, Bäcker und Wirt in Süchteln, hergestellt, erregte ihren Unwillen im höchsten Maße und ein paar Tage später brachen sie nach Süchteln auf, um hier zu plündern und zu brandschatzen. Dabei kam ein Bürger ums Leben und der Schultheiß Johann von Kriekenbeck wurde gefangengenommen. Auch der Dülkener Vogt Joachim Hölter geriet in die Gewalt der Söldner.

Um die Ordnung wiederherzustellen, sandte der Statthalter der spanischen Niederlande, Alexander Farnese, Herzog von Parma, einen Obersten mit 20 Reitern nach Süchteln, die kein Hehl daraus machten, in aller Öffentlichkeit zu erzählen, dass das ganze Verhängnis durch Winand tho Konhaus und sein „böses Brot“ verschuldet worden sei, weil die Soldaten es als vergiftet angesehen hätten. Nun erinnerten sich auch etliche Eingesessene, die in letzter Zeit bei Winand Brot gekauft hatten, um es den bei ihnen einquartierten Spaniern vorzusetzen, dass sie damit recht unzufrieden gewesen seien, auch deshalb übel bedacht worden wären.

Kaum hatten die Gemüter sich in etwa beruhigt, als durch einen neuen Anlaß die Erbitterung wieder entfacht wurde. Griet Mullen, eine Witwe, die mit ihrem Kinde
von Almosen lebte, war nämlich von den Armenprovisoren zu Winand tho Konhaus geschickt worden, um ein Brot zu erstehen. Sie vermochte es aber nicht zu genießen und ging weinend zu den Nachbarn, um die Ware besichtigen zu lassen. Da fand man zum Erstaunen und Entsetzen aller heraus, dass in dem Brote Spergel verbacken
war. In wenigen Stunden wusste die ganze Gemeinde davon und jeder, der sein Brot bei Winand tho Konhaus gekauft hatte, erkannte nun, dass es „böse und falsch“ war. Einige gerade in Süchteln verweilende geldrische und kölnische Untertanen zogen
vor sein Haus, forderten ihn heraus und bedrohten ihn mit Totschlag. Wenn sie auch ihr Vorhaben nicht ausführten, so nahmen sie doch Stücke von dem Brot mit, das
sie zu Schimpf und Schande der Süchtelner Gemeinde in den benachbarten Städten und Kirchspielen, selbst in Köln, vorzeigten, wo man sich allgemein darüber verwunderte, dass ein solcher Bäcker nicht bestraft würde. Dabei hatte er das „unzeitige“ Brot mit 2 Hellern über dem gewöhnlichen Preis veräußert, obgleich Winand wenige Tage vorher selbst zugegen war, als die Schöffen gutes Brot auf
16 Heller je Pfund festsetzten.

Der gemeine Spergel (Ackerspergel, Mariengras, Spergula arvensis L.), bisweilen 60-90 cm hoch, mit unterseits längsfurchigen Blättern, weißen Blüten und schwarzen, warzigen, schmalen Samen, wächst auf sandigen Feldern im Getreide, erreicht zumal auf Leinfeldern eine bedeutende Größe und wächst besonders in dieser Varietät (S. maxima) am Niederrhein seit mehreren Jahrhunderten. Er gedeiht in gutem Sandboden bei hinreichender Feuchtigkeit vortrefflich und eignet sich auch auf geringem Boden noch zur Weide. Er gibt vorzügliches Futter für Kühe, als Heu auch für Schafe und wird von Pferden
in jeder Beschaffenheit gern gefressen.

Vielleicht wäre doch noch im Laufe der Zeit die Sache vergessen worden, wenn nicht im April 1589 Süchteln aufs schwerste hätte leiden müssen, als nach der Eroberung Venlos durch die Spanier ein Teil des Kriegsvolks seinen Weg durch Süchteln
nehmen wollte. Drei Tage und drei Nächte hindurch wurde der Ort „mit großer Gewalt“ gestürmt, aber die Angriffe scheiterten an dem Widerstand der Bürger.
Da zündeten die Spanier 32 stattliche Gehöfte und Häuser an, die vor den Wällen lagen, so dass der angerichtete Schaden mehr als 28.000 Reichstaler betrug.
Überdies wurde ein Schöffe erschossen. Wenn in den folgenden Wochen ein Süchtelner sich auswärts sehen ließ, musste er es sich zu allem Unglück auch noch gefallen lassen, dass man ihn schmähte und belästigte, ja ihm zu verstehen gab, das
sei die Vergeltung für das den Spaniern gelieferte Brot.

Schließlich wurde Winand tho Konhaus vor das Dülkener Schöffengericht geladen,
das jedoch die Angelegenheit an das Hauptgericht in Jülich verwies. Der Ange- schuldigte verteidigte sich damit, dass er immer ein ehrbarer und frommer Biedermann gewesen sei. Deswegen habe man ihn auch zum Schöffen in Süchteln ernannt und er bekleide dieses Amt nun schon fast 20 Jahre. Nur aus Hass und Missgunst habe man ihn angezeigt. Was die Beschaffenheit seines Brotes angehe,
so habe er ständig seinen Knechten und Mägden, die das Backen besorgten,
befohlen, „aufrichtige“ Brote und Wecke herzustellen. Von irgend jemandem habe
er erfahren, dass Korn mit Spergel vermengt sich gut zu Brot verbacken lasse.
Da 1586 eine große Teuerung einsetzte, so dass weit und breit kein Getreide mehr erhältlich gewesen sei, habe er nicht gesäumt, dieses Rezept zu erproben, indem er zwei Drittel Roggen mit einem Drittel Spergel vermischte. Das Brot, das sich hieraus ergab, sei zwar ein wenig schwärzer als sonst gewesen, doch bei weitem nicht „falsch und untüchtig“. Eine gewinnsüchtige Absicht habe ihm völlig ferngelegen; denn dieses Brot sollte nur in seinem eigenen Haushalt verbraucht werden und lediglich durch Unachtsamkeit des Gesindes sei davon in seiner Abwesenheit verkauft worden. Überdies habe nicht das Brot den Unwillen der Soldaten erregt, sondern das Ausbleiben der versprochenen Lieferung von Butter und Käse.

Die Aussagen der Zeugen reichten nicht aus, um den Angeklagten im wesentlichen
zu rechtfertigen, zumal gegen ihn die Süchtelner Schöffen reichlich viel belastendes Material beibrachten. Schließlich wurde, nachdem seit Beginn des Prozesses nahezu sieben Jahre vergangen waren, am 13. September 1596 das Urteil gesprochen und
der angeschuldigten Winand tho Konhaus wegen dieses Vergehens zu der hohen Geldstrafe von 50 Goldgulden verurteilt.

Belagerung der Stadt Süchteln 1621 (bis 1623) - (Süchtelner Notgeldschein)

zurück