Hagelunwetter und Windhose

1683
An Ostern  wurde unsere Gegend von einem schrecklichen Hagelunwetter heimgesucht. „Fußdicke“ Hagelkörner, die an manchen Orten drei Tage lang liegen blieben, vernichteten in den Gemeinden SĂŒchteln, DĂŒlken, Boisheim und Waldniel, sowie in der Umgebung von Erkelenz die ganze Winterfrucht. Hasen und RebhĂŒhner blieben tot auf den Feldern liegen.

 

1891
Am 1. Juli, einem heißen Sommertage gegen 5 Uhr nachmittags, fegte eine Windhose, die sich in der NĂ€he Boisheims gebildet hatte, ĂŒber DĂŒlken, SĂŒchteln, Anrath und Willich mit einem AuslĂ€ufer bis nach Köln, wo eine Halle des Hauptbahnhofes abgedeckt wurde.

Nach den sehr heißen Junitagen sehnten sich die Menschen, Tiere und Natur nach Regen und KĂŒhle. DrĂŒckend lastete die Treibhausluft auf allem, als am Mittag unheilverkĂŒndende Gewitterwolken aufzogen. Es wurde plötzlich so finster, daß man glaubte, der Tag sei zur Nacht verwandelt worden. Sturm peitschte die Wolken und in Sekundenschnelle entlud sich ein Gewitter gewaltigen Ausmaßes. Dann ballten sich Staubwolken und, wie von einer unsichtbaren Hand gesteuert, fegte eine Windhose ( Tornado ) ĂŒber das Land. Sie kam vom Heiligenberg hinabgestĂŒrzt, mit unwiderstehlicher Wut alles zermalmend, sodaß innerhalb weniger Augenblicke 124 WohnhĂ€user mit ihren NebengebĂ€uden zum Teil bis auf die Grundmauern zerstört wurden. Hecken und ZĂ€une wurden umgebrochen und nahezu alle ObstbĂ€ume in den erfaßten Ortschaften vernichtet. Der wolkenbruchartige Regen, der die Windhose begleitete, durchweichte die Decken der dachlosen HĂ€user. 158, zum Teil recht kinderreiche Familien, waren von dem UnglĂŒck betroffen.

Wie durch ein Wunder sind trotz des aus allen Richtungen kommenden Ziegelbrocken- und Steinregens weder Menschen noch Tiere umgekommen. Nur ein Knabe, namens Jakob Höges, erlitt eine grĂ¶ĂŸere Verletzung am Kopfe und fand Aufnahme im hiesigen Krankenhause. Ferner wurde der Bauer Heinrich Kothes von einem umstĂŒrzenden Scheunentor getroffen und mußte mehrere Tage das Bett hĂŒten.

Schwerer wiegten die SachschĂ€den: In der Ringofenziegelei in Dornbusch stĂŒrzte der hohe Kamin um und das Dach wurde abgetragen. Ein alter, prĂ€chtiger Buchenwald beim HĂŒbgeshof im Rade lag vollstĂ€ndig am Boden. Mehrere Fuß dicke StĂ€mme waren entweder mit großen Erdballen entwurzelt oder wie Streichhölzchen abgebrochen. Vom HĂŒbgeshof selbst wurde das Dach weggeweht. Beim Hormeshof stĂŒrzten die StallgebĂ€ude ein. Wie bei fast allen HĂ€usern, so deckte der Sturm auch das Dach der Brauerei Giesen ab. Das Scheunendach des Ackerers Sterken wurde emporgehoben und fiel seitlich vom Hofe in ein Getreidefeld. Von der Wirtschaft Dommers und den zwei NachbarhĂ€usern brachen die Obergeschosse zusammen ( siehe Bild unten ). Das GerĂ€t dieser RĂ€ume fand man spĂ€ter teilweise in den Wiesen an der Niers wieder. Noch deutlicher als dieses veranschaulichte ein StĂŒck einer grauen Dachpfanne, das in den Stamm eines Apfelbaumes in dem sehr mitgenommenen Garten der Wirtschaft Dommers fest eingekeilt zu sehen war, die ungeheure Kraft der Windhose. Einer Menschenhand wĂ€re diese Arbeit wohl kaum möglich gewesen, abgesehen davon, daß dieser Dachziegel nur von den Gehöften der Landwirte Hormes oder HĂŒbges, die etwa 300 Meter von Dommers entfernt liegen, herrĂŒhren konnte. GrĂ¶ĂŸere SchĂ€den wiesen auch die HĂ€user von Schroers und Heydthausen auf. Die WĂ€nde waren eingedrĂŒckt, die stehengebliebenen Mauern bis auf das Fundament geborsten und die Zimmerdecken durchbrochen. Bei den Gehöften der Ackerer Platzen ( siehe Bild ganz unten ) und Wiemes im Sittard hatte der Sturm mehrere Mauern umgeworfen und abgerissene BaumstĂ€mme ĂŒber die TrĂŒmmerhaufen gelagert. Kothes- und Buschhof, wie auch zahlreiche ArbeiterhĂ€user, blieben nicht weniger verschont. Überall sah man hohe Ziegelsteinhaufen, entwurzelte BĂ€ume, geborstenes HausgerĂ€t, umgestĂŒrzte Karren und verwĂŒstete GĂ€rten. Ein Eichenwald zwischen Kothes und Busch war gĂ€nzlich vernichtet worden. Auf dem Langerhofe stĂŒrzten Schuppen und Scheune teilweise ein. Vom RĂŒttenhofe und dem Hause von Grefges fegte der Sturm fast alle Dachziegel hinweg, so daß die leeren Sparren in die Luft hinein ragten. Der Saal der Wirtschaft Schmitz stĂŒrzte vollstĂ€ndig zusammen. Von den zwischen den genannten Gehöften gelegenen Behausungen der Weber im Sittard hatte der Sturm nahezu keine verschont. Alle zeigten grĂ¶ĂŸere oder geringere BeschĂ€digungen. Ein bei Poschmanns Scheune stehender mĂ€chtiger Nussbaum, dessen Umfang wohl 4 Meter maß und als stĂ€rkster Baum der Umgebung galt, wurde mit seinem ganzen Wurzelwerk aus dem Erdboden gehoben. Dagegen blieb ein hölzernes Kreuz, obgleich sein Stamm so vermodert war daß es einige Jahre spĂ€ter von selbst zusammenbrach, inmitten von vier BĂ€umen unversehrt stehen. Nicht weit davon aber, an der Sittarder Schule und bei Becher, lagen zwei ehedem stattliche WĂ€lder gĂ€nzlich verwĂŒstet am Boden. Vom Hause des Wilhelm Windhausen riß der Sturm etwa ein Viertel des Daches weg. Dem kaum 300 Schritte entfernt wohnenden Nachbarn hingegen fĂŒgte er keinen Schaden zu. Hier und dort aber, wohin das Auge blickte, Vernichtung und Not ! GĂŒter fĂŒr mehr als eine halbe Millionen Mark hatte die Windhose in wenigen Minuten zu Grunde gerichtet.

Die Gemeinde SĂŒchteln konnte allein die Last der Heimsuchung nicht tragen und grĂŒndete deshalb unverzĂŒglich einen Hilfsausschuß und verschickte an rund 450 Zeitungsverlage einen „Hilferuf“, wodurch die Kunde von der Katastrophe ĂŒberall in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Von nah und fern eingehende Geldspenden bezeugten die Anteilnahme, die man den GeschĂ€digten allseitig entgegenbrachte. So steuerte z.B. die amerikanische Firma Oppenheim & Söhne die Summe von 1.000 Mark bei.

Die GaststÀtte Dommers nach der Windhose ( Haus Reinartz im Rade )

Der von der Windhose zerstörte Platzenhof im Sittard beim Wiederaufbau ( durch Pioniere aus Koblenz )

Das Kreuz im Sittard

 Es schauen viele aus schĂŒtzendem Haus
besorgt zum Himmel nach Westen hinaus.
Dort tĂŒrmen sich Wolkengebirge auf
und halten nach Osten verderblichen Lauf,
ziehen schwimmend und majestÀtisch einher
hoch in der Höhe, auf luftigem Meer.

 Dem hellen Tage bringen sie Nacht,
es blitzet und donnert, es brĂŒllt und es kracht,
und wie die Lawine zum Abgrund fÀllt,
gleich dem Vesuv, wenn er Ausbruch hÀlt,
so kommen sie mit furchtbaren Tone
herangezogen – Windes-Zyklone,

 zerschmettern, was ihnen im Wege steht,
viel’ BĂ€ume stĂŒrzen, werden abgedreht,
HĂ€user fallen wie Garben um,
es schĂŒtzen nicht Eichen noch Buchen rundum.
Und wÀhrend dabei der Donner hallt,
stĂŒrzen die Höfe, stĂŒrzet der Wald.

 In zwei Minuten ist alles vollbracht,
zertrĂŒmmert viel Schönes, was Menschen gemacht.
Von Höfen und HĂ€usern sind viele Ruin’,
es liegt an der Erde des Herdes Kamin.
Und in dem Wirrwar der Sturmesgewalt,
da fÀllt aus Wolken Hagel so kalt,

 an GrĂ¶ĂŸe gleich NĂŒssen, gleich Taubenei,
und schlÀgt die Scheiben, die Saaten entzwei,
vernichtet alles in Garten und Flur,
und ĂŒberall schrecklich ist seine Spur.
Denn was der Fleiß der Menschen gesĂ€t,
ist fort, dahin wie abgemÀht.

 Zahlreiche Fenster an Kirchen und Haus,
sie liegen zerschmettert als Scherben aus.
Doch in dem Chaos, du kannst es sehen,
blieb ein Kreuz mit vier Linden stehen,
es wich mit den Linden nicht Sturmesgewalt,
mild blickt vom Kreuze des Heilands Gestalt.

 Nun suchen Trost vor dem Bilde hier,
die sonst vielleicht verzweifelt schier.
Denn wer verloren sein Hab und Gut,
erhÀlt durch Beten nur seinen Mut.
O, schrecklich ist die Macht der Natur.
Mensch, erkenn darin Gottes Spur !

 Drum bete: „Es geschehe, Herr, Dein Will’“
und trage den Kummer im Herzen still.
Es strafet wohl Gott, doch segnet er bald.
Drum lobe den Herrn auch in Sturmesgewalt.

( Dieses Gedicht ist kurz nach der Winhose 1891 in SĂŒchteln entstanden - der Autor ist unbekannt )

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